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Gigabit-Ethernet unter der Lupe

Warum die 100-Mbit-Industrial-Ethernet-Technologie für Industrie 4.0 nicht ausreicht

Auf unserem Weg zur Industrie 4.0 erweist sich die Zurückhaltung der Industrie, über die 100-MBit-Ethernet-Technologie hinauszugehen, als sehr konkrete Fortschrittsbremse. John Browett, General Manager der CLPA Europe, erklärt, warum der Umstieg auf Gigabit-Ethernet-Netzwerktechnologien jetzt beginnen muss.

Im Jahr 2016 befasste sich das Weltwirtschaftsforum mit den Auswirkungen technologischer, demografischer und sozioökonomischer Herausforderungen auf die Beschäftigungslandschaft und kam zu dem Schluss, dass 65 % der heute Studierenden in neuen Berufen arbeiten werden, die derzeit noch gar nicht existieren. Das Geschäftsumfeld ändert sich demnach, und das Tempo des Wandels nimmt weiter zu.

In der Fertigung haben wir den Vorteil, dass wir bereits eine Vorstellung davon haben, wie die Zukunft aussehen wird. Die Blaupause hat uns das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 geliefert, und wir wissen, dass diese Zukunft auf Daten aufbauen wird – großen Mengen von Daten. Die optimale Nutzung von „Big Data“ setzt Tempo und Bandbreite voraus, damit die Auswertungssysteme, mit denen wir Werte erwirtschaften, die Datenmengen bewältigen können.

Zum Thema Bandbreite

Es ist noch nicht lange her, dass der Download selbst niedrig aufgelöster Fotos über die Internetverbindung eine Geduldsprobe war. Hätten Sie damals behauptet, bereits in wenigen Jahren sei das Anschauen von Filmen und Fernsehen über das Internet eine Selbstverständlichkeit, hätte man Sie vermutlich belächelt. Doch genau das ist eingetreten.

Die gleiche Entwicklung haben wir bei den Fabriknetzwerken gesehen, die sich von einfachen Feldbusnetzwerken für Sensoren und Aktoren zum durchgängigen Einsatz von Ethernet bis hinunter auf die Feldebene weiterentwickelt haben. Jetzt beobachten wir die Konvergenz von IT- und OT-Netzwerken. In vielerlei Hinsicht ist es gerade der nahtlose Informationsfluss zwischen diesen beiden Welten, der die Möglichkeiten von Industrie 4.0 definiert. Wenn sich der Trend fortsetzt – analog dazu wie das Weltwirtschaftsforum die Entwicklung des Arbeitsmarktes einschätzt – werden uns in absehbarer Zeit in der Fertigung Dienste zur Verfügung stehen, von denen wir heute nur träumen können.

Eines ist dabei gewiss: Wir werden dafür in Zukunft wesentlich mehr Bandbreite benötigen als das, was wir für die heutigen Anforderungen für ausreichend halten. Dies ist einer der Gründe, warum die CLPA auf offenes Gigabit-Ethernet setzt. Die Industrie tut gut daran, den Übergang zu Gigabit-Bandbreiten so schnell wie möglich in Angriff zu nehmen, wenn sie die Vorteile von Industrie 4.0 nutzen will.

Vorbereitung auf die Fabriken der Zukunft

Manchmal wird argumentiert, die Debatte um Geschwindigkeit und Bandbreite sei irrelevant und dass wir mit der Verbreitung von Technologien wie OPC UA und TSN Bandbreite als gegeben hinnehmen können. Zweifelsohne sind dies wichtige Entwicklungen, doch handelt es sich dabei um komplementäre Technologien und nicht um Ersatz für bestehende Netzwerkprotokolle. Die Netzwerkbandbreite für industrielle Anwendungen ist ein Thema, über das wir jetzt reden müssen, wenn wir uns auf die Realität in den Fabriken der Zukunft vorbereiten wollen.

Auch wenn wir noch nicht genau wissen, wie diese zukünftigen Netzwerkinfrastrukturen aussehen werden, können wir einige Schlüsse aus der Entwicklung des Cloud Computing ziehen. In den meisten industriellen Prozessen ist der Informationsdurchsatz derzeit noch weit entfernt von „Big Data“, dennoch handelt es sich bereits um große Datenmengen. Noch handelt es sich bei den Daten, die an die Cloud gesendet werden, überwiegend um Informationen für die historische Protokollierung und Trendanalyse, während die Echtzeit-Steuerdaten auf Edge-Computing-Plattformen verarbeitet werden. Wenn sich aber die Prognosen einiger Unternehmen bewahrheiten, dann ist Edge Computing lediglich ein Zwischenschritt, und wir können schon bald virtuelle SPSen und SCADA-Systeme in der Cloud sehen, die in Echtzeit Daten erfassen und die Anlagen und Maschinen im Werk überwachen und steuern.

Wenn dieses Zukunftsszenario Wirklichkeit wird, sind High-Speed-Vernetzungstechnologien unabdingbare Voraussetzung. Wenn man sich die Datenmengen ansieht, die wir heutzutage durch unsere Edge-Computing-Plattformen schicken, nähern sich die herkömmlichen 100-Mbit-Technologien bereits der Belastungsgrenze.

Das merken wir nicht in jedem Fall, denn moderne Industrial-Ethernet-Protokolle werden eingesetzt, um Kollisionen zu vermeiden, sodass die Performance der OT-Hard- und Software nicht beeinträchtigt wird. Aber stellen Sie sich ein Netzwerk vor, das sowohl synchrone Steuerdaten (E/A-Zustände, Datenregister usw.) als auch asynchrone Informationen wie Alarme, Qualitätsdaten und andere Meldungen überträgt: Eine blockierte Maschine, ein auswandernder Parameterwert oder jedwede andere Prozessstörung kann zu einer Überflutung des gesamten Netzwerks mit Alarmmeldungen führen, was schnell die Leistung des gesamten Systems in Mitleidenschaft ziehen kann.

Analysieren wir einmal, wie viel zusätzliche Kapazität Gigabit-Bandbreite bietet: Grundsätzlich ist der Durchsatz von 1-Gbit-Ethernet 10x größer als bei 100-Mbit-Ethernet, aber auch die Datenpaketierung spielt eine Rolle:

Ethernet-Rahmenformat, Frame-Typ II:

- Präambel (8 Byte)
- Pause (Inter Frame Gap) (12 Byte)
- MAC-Empfänger (6 Byte)
- MAC-Absender (6 Byte)
- Protokolltyp (2 Byte)
- Nutzdaten (Payload) (mindestens 46 Byte, höchstens 1500 Byte)
- Beinhaltet Netzwerkdaten und zusätzliche Ethernet-Header
- CRC (4 Byte)

Hieraus ergibt sich eine Frame-Größe von mindestens 84 Byte und höchstens 1.538 Byte. Netzwerkdaten sind die Informationen im Payload-Teil des Frames. Bei einigen Ethernet-Anwendungen ist zusätzlicher Overhead erforderlich und ein Teil der Payload, was die Größe der Netzwerkdaten reduziert. Ohne zusätzlichen Ethernet-Overhead sind Nutzlast und Netzwerkdaten gleich.

Payload mit dem Minimum von 46 Byte und Frame-Format Ethernet II (kein weiterer Overhead):

• Gigabit-Ethernet hat einen Durchsatz von 1.488.095 Frames/s und kann in 1 Sekunde maximal 68.452.370 Netzwerkdatenbyte übertragen.
• 100-Mbit-Ethernet hat einen Durchsatz von 148.809 Frames/s und kann in 1 Sekunde maximal 6.845.214 Netzwerkdatenbyte übertragen.
Payload mit dem Maximum von 1500 Byte und Frame-Format Ethernet II (kein weiterer Overhead):
• Gigabit-Ethernet hat einen Durchsatz von 81.274 Frames/s und kann in 1 Sekunde maximal 121.911.000 Netzwerkdatenbyte übertragen.
• 100-Mbit-Ethernet hat einen Durchsatz von 8.127 Frames/s und kann in 1 Sekunde maximal 12.190.500 Netzwerkdatenbyte übertragen.

Geräte in Gigabit-Ethernet-Netzwerken können somit mehr Nachrichten senden. Da jede Nachricht im Netzwerk weniger Zeit in Anspruch nimmt, können mehr Nachrichten gesendet werden, ohne das Netzwerk zu überlasten. Hierbei geht es nicht um Kollisionsprobleme, da es hierfür in industriellen Ethernet-Netzwerken im Allgemeinen andere Strategien gibt. Es geht vielmehr darum, wie viele nützliche Daten aus jeder Nachricht erfasst und verwendet werden können. All dies hat Auswirkungen auf die Qualität der Produktionsentscheidungen, die auf der Enterprise-Ebene getroffen werden.

Auf Tempo kommt es an

Kritiker von Gigabit-Ethernet zweifeln an, dass die Geschwindigkeit der Übertragung eine Rolle spielt. Dabei liegt es auf der Hand, dass bei höherer Übertragungsgeschwindigkeit mehr Nachrichten pro Zeiteinheit übertragen und damit mehr wertvolle Daten gesammelt werden können. Selbst bei einer Begrenzung der Datenmenge pro Gerät ergibt sich hieraus keine Begrenzung der erfassten Daten, da sich die Datenregister ständig ändern können. Industrie 4.0 verlangt, dass wir immer mehr nützliche Informationen aus unseren Produktionssystemen extrahieren. Gigabit-Ethernet kann hierfür die notwendige Geschwindigkeit und Bandbreite bereitstellen.

Die Nutzung der Payload ist relevant

CC-Link IE Field hat nicht nur eine Übertragungsgeschwindigkeit von 1 Gbit/s, sondern auch eine höhere Network-Data-Kapazität als TCP/IP und UDP/IP General Purpose Ethernet. Dies liegt am zusätzlichen Overhead für die IP-, TCP- und UDP-Header, die von den General-Purpose-Ethernet-Frames verwendet werden. Diese zusätzlichen Header für General-Purpose-Ethernet-Frames werden innerhalb des Payload-Teils des Frames platziert und reduzieren somit die Netzwerkdaten, die mit jedem Ethernet-Frame übertragen werden können. Übertragungen über CC Link IE Field kommen ohne zusätzliche Ethernet-Header aus, sodass die gesamte Nutzlast für Netzwerkdaten zur Verfügung steht.

Daten zum Vergleich:

Die Nutzlast für einen Ethernet-Frame beträgt 46–1.500 Byte/Übertragung
− 1-Gbit-Ethernet mit einem Minimum an Payload überträgt 1.488.095 Frames/s
− 1-Gbit Ethernet mit einem Maximum an Payload überträgt 81.274 Frames/s

CC-Link IE-Feld – es werden keine zusätzlichen Ethernet-Header benötigt.

Bei einer Payload von 46 Byte können 46 Byte an Netzwerkdaten übertragen werden.
− Übertragung von 68.452.370 Byte an Netzwerkdaten pro Sekunde.

Bei einer Payload von 1500 Byte können 1500 Byte an Netzwerkdaten übertragen werden.
− Übertragung von 121.911.000 Byte an Netzwerkdaten pro Sekunde.

TCP/IP – der IP-Header benötigt 20 Byte und der TCP-Header 20 Byte

Bei einer Payload von 46 Byte können 6 Byte an Netzwerkdaten übertragen werden.
− Übertragung von 8.928.570 Byte an Netzwerkdaten pro Sekunde.

Bei einer Payload von 1500 Byte können 1460 Byte an Netzwerkdaten übertragen werden.
− Übertragung von 118,660,040 Byte an Netzwerkdaten pro Sekunde.
UDP/IP – der IP-Header benötigt 20 Byte und der UDP-Header 8 Byte

Bei einer Payload von 46 Byte können 18 Byte an Netzwerkdaten übertragen werden.
− Übertragung von 26.785.710 Byte an Netzwerkdaten pro Sekunde.

Bei einer Payload von 1500 Byte können 1472 Byte an Netzwerkdaten übertragen werden.
− Übertragung von 119.635.328 Byte an Netzwerkdaten pro Sekunde.

Im Vergleich zu herkömmlichen Ethernet-Netzwerken bietet CC-Link IE Field daher bei Gigabit-Tempo und je nach Nutzlast eine Leistungssteigerung von über 660 % mehr Byte pro Sekunde als TCP/IP und über 150 % mehr als UDP/IP bei Übertragung mit dem Nutzlast-Minimum.

Da derzeit keine anderen offenen 1-Gbit-General-Purpose-Ethernet-Netzwerke verfügbar sind, müssen wir CC-Link IE Field auch mit anderen derzeit verfügbaren industriellen Ethernet-Netzwerken vergleichen, d. h. CC-Link IE Field im Vergleich zu 100-Mbit-General-Purpose-Ethernet.

Ausgehend von der gleichen Berechnungsgrundlage: Je nach Nutzlast kann CC-Link IE Field prinzipiell eine Leistungssteigerung von bis zu ~ 7.500 % mehr Byte pro Sekunde als TCP/IP und ca. 2.500 % mehr als UDP/IP bieten.

Nicht nur Gigabit-Ethernet an sich ist ein großer Vorteil, sondern CC-Link IE Field hat den zusätzlichen Nutzen eines Steigerungspotenzial in der Netzwerkdatenübertragung von 7.500 %. Die Vergleiche zeigen, wie wichtig der Bandbreitenvorsprung von CC-Link IE Field bei der Schaffung von Kapazitäten für kommende Industrie-4.0-Anforderungen ist.

Jenen, die immer noch daran zweifeln, dass wir uns auf dem Weg in eine Gigabit-Ethernet-Zukunft befinden, sei ein Blick auf das Angebot der Hersteller von

Industrial-Ethernet-Switches empfohlen: Die Anzahl der Gigabit-Ethernet-Produkte wächst bereits stetig. Wenn wir die Ziele von Industrie 4.0 erreichen wollen, dürfen wir Gigabit-Ethernet nicht als theoretisches Konzept für die Zukunft betrachten, sondern müssen als sehr relevante Strategie für die Gegenwart ernstnehmen.

Über die CC-Link Partner Association (CLPA)

Die CLPA ist eine im Jahr 2000 gegründete, internationale Organisation, die sich der Förderung und technischen Weiterentwicklung der CC-Link-Familie offener Automatisierungsnetzwerke widmet. Die Schlüsseltechnologie der CLPA ist CC-Link IE TSN, das weltweit erste offene Industrial Ethernet, das Gigabit-Bandbreite mit Time-Sensitive Networking (TSN) kombiniert und damit die führende Lösung für Anwendungen der Industrie 4.0 darstellt. Derzeit hat die CLPA mehr als 3.800 Mitgliedsunternehmen weltweit. Ihr Angebot umfasst über 2.000 zertifizierte Produkte von 340 Herstellern. Weltweit sind über 30 Millionen Geräte mit CLPA-Technologie im Einsatz.

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